Unsere Schweizer DNA leben wir bis heute
OMD Switzerland
14 May 2024

Dieses Interview ist in persönlich Ausgabe Nr. 04/ April 2024 erschienen.

Von Matthias Ackeret

 

 

Die Omnicom Media Group setzt auf zwei Erfolgsgaranten: Swissness und Mitarbeiterzufriedenheit. Vor 32 Jahren gegründet, hat sich aus der Mediaagentur im Zürcher Seefeld ein internationales Unternehmen entwickelt. Ein Gespräch mit CEO Jens Brecht.

 

Herr Brecht, Omnicom Media Group Schweiz hat einen interessanten neuen lokalen Purpose «Wenn Erfolg Freud’ macht». Was wollen Sie damit ausdrücken?

Mit unserem Purpose halten wir fest, wofür die Omnicom Media Group Schweiz steht. Für eine leidenschaftliche und menschliche Arbeitsweise. Für Innovation, Transparenz und Nachhaltigkeit. Erfolg sollte nicht nur stur an Ergebnissen gemessen werden, sondern wir wollen unsere Kunden und Mitarbeitenden mit Leidenschaft und Innovationen begeistern. Das ist unser Credo. Wir machen unsere Arbeit wirklich gerne. Sobald die Arbeit keinen Spass mehr macht, wird es schwierig und die Identifikation bleibt auf der Strecke.

 

Aber ist dies nicht eine Binsenwahrheit?

Ich glaube nicht, wir haben diesen Purpose in den vergangenen zwei Jahren zusammen mit einem externen Coach erarbeitet und unsere Mitarbeitenden neben der täglichen Arbeit beim ganzen Aufbau miteinbezogen. Meiner Meinung nach zeigt sich das Resultat dieser Bemühungen auch darin, dass unsere Geschäftsleitung seit Jahren stabil ist, was in unserer Branche keineswegs selbstverständlich ist. Für uns ist wichtig, dass diese Haltung auch gelebt wird und wir die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und Kunden einbeziehen. Wir wollen in dieser immer stärker datenbasierten Welt ein Quäntchen mehr Mensch sein.

 

Wo hat sich dies konkret gezeigt?

Eine leidenschaftliche und menschliche Arbeitsweise heisst für uns auch, dass wir in die Aus- und Weiterbildung unseres Teams investieren zum Beispiel mit der OMG Academy. Als Lehrbetrieb fördern wir den Medianachwuchs und bilden aktuell sechs Lernende aus. Generell ist es uns wichtig, dass unsere Mitarbeitenden nicht das Gefühl haben, sie befänden sich in einem Hamsterrad und müssten immer die gleiche Tätigkeit ausüben.

 

Die Omnicom-Gruppe zählt zu den grössten Mediaagenturen der Welt. Da müssen Sie sich auch eine gewisse Autonomie schaffen…

Ja, das machen wir auch. Wir agieren sowohl in Zürich, als auch in Wien sehr selbstständig. Selbstverständlich gehören wir einem grossen Netzwerk an und definieren unsere Geschäftsergebnisse zusammen. Aber gerade in der Schweiz verfügen wir aufgrund unserer Geschichte über einen lokalen Hintergrund.

 

Sie bezeichnen sich als das «schweizerischste Netzwerk».

Die Omnicom Media Group Schweiz hat vor 2 Jahren ihren 30. Geburtstag gefeiert. Die einst kleine Mediaagentur aus dem Zürcher Seefeld, hat sich erst vor einigen Jahren einem der grössten internationalen Kommunikationsnetzwerke angeschlossen. Unsere Schweizer DNA leben wir dennoch bis heute und darauf sind wir extrem stolz. Wir wollen aufzeigen, dass wir eigentlich eine lokale Agentur sind, die in Anfangszeiten durch kluge Köpfe wie Peter Kettiger, Geri Aebi und Christof Kaufmann geprägt war, die im hiesigen Markt sehr gut vernetzt sind. Klar sind wir heute in ein internationales Netz eingebunden und nutzen selbstverständlich die Power der Omnicom in gewissen Bereichen. Stimmen aber die Zahlen, lässt man uns viel Freiheit und wir können sehr autonom agieren.

 

Wie sieht dann der prozentuale Anteil der lokalen Kunden aus?

Aktuell um die 40 Prozent. Das ist leider ein bisschen zu wenig. Wir versuchen dies aber zu steigern, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Unser lokales Angebot ist sehr vielfältig. Wir haben an unserem Standort Zürich beispielsweise eine eigene Insights und Research-Abteilung das mit lokaler Expertise kundenindividuelle Analysen erstellt.  Ausserdem haben wir gerade unser eigenes Data Warehouse fertiggestellt.

 

Welches sind Ihre wichtigsten Kunden?

Wir sind stolz, dass wir tolle Brands aus den unterschiedlichsten Branchen betreuen dürfen. Auf lokaler Ebene sind es Bank Cler, Kägi oder Aproz. International McDonald’s, Mercedes und Apple. Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

 

Migros gehörte auch einmal zu Ihrem Netzwerk…

Ja, der Verlust des Migros-Budgets an Dentsu Aegis war 2017 ein grosser Einschnitt. Ich mag mich gut daran erinnern, weil ich damals für Dentsu gearbeitet habe.

 

Sie wechselten vom Sieger zum Verlierer…

Ja, Omnicom hat damals höchstwahrscheinlich gedacht: Okay, für den Migros-Verlust nehmen wir ihnen dafür den stellvertretenden CEO weg (lacht). Für mich war es die Chance nach 9 Jahren Dentsu, etwas Neues aufzubauen. Für die Omnicom war 2017 ein furchtbares Jahr, da nebst Migros noch die Etats der damaligen PSA-Gruppe und Carlsberg verloren gingen. Das Werbevolumen halbierte sich in einem Moment. Höchstwahrscheinlich haben wir uns als eines der führenden Schweizer Agenturnetzwerke davor zu sicher gefühlt und uns zu lange auf den Lorbeeren ausgeruht. Dieser Schock gab uns aber die Möglichkeit, den ganzen Betrieb neu aufzubauen.

 

Inwiefern?

Wir haben alles auf den Prüfstand gestellt und uns komplett neu definiert. Beispielsweise waren wir in der Schweiz die erste Mediaagentur, die ein agiles Arbeitsmodell entwickelt hat und damit den Mitarbeitenden die Möglichkeit gab, den Arbeitsplatz frei zu wählen.

 

Also bereits vor Corona?

Ja, lange vor Corona. Wir machten aus der Not eine Tugend. Viele Bewerber sagten uns, dass sie zwar gerne zu uns kämen, aber nicht nach Oerlikon. Dies vor allem aufgrund der Unsicherheiten aufgrund der grossen Budgetverluste. Folglich mussten wir uns etwas überlegen, was andere Arbeitgeber nicht bieten konnten.  So kreierten wir ein modernes Jahresarbeitszeitmodell inklusive Gleitzeit. Konkret bedeutet dies, dass wir die Jahresarbeitszeit erfassen und Überstunden innerhalb eines Jahres abgebaut werden können, nicht pro Woche oder monatlich. Das ermöglicht uns ein agileres und flexibleres Arbeiten und macht uns als Arbeitgeber für viele gute Mitarbeitenden attraktiv. Leider machte uns Corona einen Strich durch die Rechnung, diese Alleinstellung hatten wir danach nicht mehr … Aber Anfang 2019 waren wir damit wirklich Pioniere.

 

Sie verfügen momentan 105 Mitarbeitende. Wieviel sind nun in Oerlikon anwesend?

Im Minimum sind jeweils 30 bis 60 Prozent der Belegschaft pro Woche anwesend. Viele kommen mittlerweile wieder sehr gerne ins Büro.

 

Nun umfasst die Omnicom-Gruppe OMD, phd und Hearts & Science. Wodurch unterscheiden sich diese?

OMD ist unsere stärkste Agentur, welche sich hauptsächlich um unsere internationalen Kunden kümmert. PHD ist die kleinere und feinere Agentur, die wir im lokalen Bereich einsetzen und deren Content vielfach ausserhalb der klassischen Medien liegt. Hearts & Sciene bauen wir momentan auf. Es ist eine digitale, datengetriebene Agentur, die vor allem im lokalen Bereich mit einem anderen Ansatz überzeugen wird.

 

Wie wird eigentlich die Künstliche Intelligenz das Media-Geschäft verändern?

Es ist klar, Künstliche Intelligenz ist auch aus der Mediaplanung nicht mehr wegzudenken. Auch wir setzen stark auf Data Science und Machine Learning. Auch hier sind wir Pioniere und haben letztes Jahr unser eigenes Data Warehouse fertigstellt, was die Grundlage bildet. Allerdings benötigt es für die Exzellenz, also die kreative und werbewirksame Medienplanung immer noch den Faktor Mensch dazu, der das Ganze steuert.

 

Aber besteht die Gefahr, dass Künstliche Intelligenz plötzlich das ganze Mediageschäft dominieren wird?

Ich glaube, dass es den Menschen immer braucht, auch wenn sich dies ein bisschen nach «Prinzip Hoffnung» anhört, da dies mittlerweile jeder Zweite sagt. Gerade die technischen Abläufe wird man zweifelsohne optimieren können. Aber den menschlichen Kopf, der das ganze intuitiv steuert, respektive mit welchen Möglichkeiten man die bestmögliche Werbewirkung erreichen will, den wird es immer benötigen.

 

Ein anderes Stichwort sind Fake News. An der diesjährigen Dreikönigstagung der Schweizer Verleger hat Ihr Chairman, Manfred Kluge, eine Kampagne gegen Fake News initiiert. Inwiefern stellt dies für die Mediabranche ein Problem dar?

Fake News, Desinformation sowie monopolistische Strukturen im Internet haben einen starken Einfluss auf die gesellschaftliche Stimmung. Der Erhalt von Medienvielfalt und ethisch basiertem Journalismus liegt daher auch in unserer Verantwortung. Aus diesem Grund hat Corporate Media Responsibility einen zentralen Stellenwert bei der Omnicom Media Group. Ich glaube als Mediaagentur tragen wir da auch eine Mitverantwortung, obwohl es unser Geschäftsergebnis höchstwahrscheinlich kaum beeinflusst. Für unsere Kunden ist es aber schwierig, wenn die Werbebotschaft mit Fake oder Hate News, etc. in Verbindung gebracht wird. Wahnsinn, was in den sozialen Medien mittlerweile abläuft und welche Botschaften gesendet werden.

 

Aber kann man dies überhaupt noch kontrollieren?

Ich glaube, das ist sehr schwierig. Trotzdem scheint es uns wichtig, die Menschen darauf aufmerksam zu machen und auch davor zu warnen. Es liegt auch in der Verantwortung der amerikanischen Konzerne und anderen Tech-Giganten, dass sich diese verstärkt um die Kontrolle ihrer Inhalte kümmern. Mit Targeting kann man heute damit schon sehr viel erreichen. Es gibt auch Modelle, die auf künstlicher Intelligenz basieren, und – vereinfacht gesagt – schauen, dass Werbeplatzierungen nicht im Umfeld diffamierender Inhalte ausgespielt werden. Für uns Agenturen heisst es, dass wir unsere Kunden auf die Chancen, aber auch auf die Risiken hinweisen müssen. Gleichzeitig müssen wir an Lösungen arbeiten, die es ermöglichen die Werbung in einem sicheren Umfeld auszuspielen.

 

Blicken wir auf den Schweizer Werbemarkt. Wie schätzen Sie diesen für 2024 ein?

Nach unserer Prognose wird das Brutto-Media-Volumen dieses Jahr um rund 4% ansteigen. Dies nach einem sehr unsicheren 2023. Wir glauben und hoffen, dass sich der Markt trotz aller internationaler Krisenherde stabilisiert.

 

Das ist ja ein positives Zeichen und zeigt doch, dass die Auftraggeber immer noch an die Wirkung der Werbung glauben

Ja, das ist wirklich ein positives Signal. Vergangenes Jahr war äusserst sonderbar und schwer planbar. Entstand doch durch die Konflikte in der Ukraine und dem Nahen Osten eine grosse Unsicherheit und Negativstimmung.

 

Was beeinflusst dann die wirtschaftliche Entwicklung? Deutschland, Asien oder die USA?

Für uns zweifelsohne Amerika nebst Deutschland. Wir betreuen grosse und wichtige Brands, die aus den USA gesteuert werden. Dieses Jahr stehen in den USA Wahlen vor der Tür. Deren Ausgang hat erfahrungsgemäss auf die Wirtschaft einen grossen Einfluss.

 

Wie sieht es bei der Werbeverteilung aus? Google und Meta erzielen hierzulande über 2 Milliarden Franken Werbeumsätze, also praktisch jeder zweite Werbefranken, der in der Schweiz erwirtschaftet wird, geht zu den Techgiganten. Wird sich dies ändern?

Ich glaube, dies wird sich nicht ändern. Im Gegenteil, langfristig wird noch mehr Geld zu Google, Meta oder TikTok abwandern. Es hat aber auch seine Berechtigung, da der Werbetreibende seine Zielgruppe erreicht. Es gibt aber definitiv auch Alternativen, um die Zielgruppe ebenfalls effizient erreichen zu können. Wir sehen das vor allem in der Zusammenarbeit mit unseren Schweizer Premiumpartnern, mit denen wir kundenindividuelle Lösungen umsetzen.

 

Wird Print aussterben?

Das glaube ich nicht und habe ich auch nie angenommen. Lange Zeit hiess es ja, Print ist tot. Aber diese Voraussage ist glücklicherweise so nicht eingetreten. Wir haben viele Kunden, die ihre Produkte und vor allem ihre Imagekampagnen weiterhin im Print abgebildet sehen wollen. Dies auch, da sie sich dadurch mehr Nachhaltigkeit versprechen als im Netz. Und da sind wir bereits wieder im Datenthema, für viele User ist es mittlerweile zu kompliziert und möglicherweise auch zu risikoreich, Daten abzugeben. Die Nutzung von Print ist heute zweifelsohne anders als früher. Die Reichweite ist zurückgegangen, aber Print bietet nach wie vor ein qualitatives Umfeld.

 

Sie sind genau seit einem Jahr auch für OMG Österreich zuständig. Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Ländern?

Das ist eine tolle Geschichte. Ich muss vorausschicken, dass ich bereits 2016 eine gewisse Zeit für die Dentsu im österreichischen Markt gewisse Powerbrands entwickeln und führen durfte, deswegen ist er mir nicht ganz unbekannt.  Es gibt kulturell grosse Unterschiede. Beide Länder haben mit je acht Millionen praktisch gleich viele Einwohner, die Fläche von Österreich ist jedoch doppelt so gross. Dies wirkt sich auch auf die Medienlandschaft aus.

 

Wo zeigen sich die grössten Unterschiede?

Die Schweiz ist im Gegensatz zu Österreich ein klassisches Plakatland. Was sicherlich auch damit zu tun hat, dass in der Schweiz auf einer kleineren Fläche viel mehr Leute erreicht werden. Doch in beiden Ländern setzen sich die digitalen Screens immer mehr durch.  Insgesamt ist die Vermarkterlandschaft in Österreich auch viel fragmentierter als in der Schweiz, wo es bei mehreren Mediengattungen duopolistische Strukturen gibt.

 

Ist es heute schwieriger eine Mediaagentur aufzubauen und zu führen als früher?

Das ist eine gute Frage, es ist sicher sehr komplexer geworden. Wir setzen uns heutzutage mit vielen neuen und spannenden Themen auseinander, wie Tech & Data, E-Commerce, Employer Branding oder auch CSR. Zudem ist die Mediaplanung sehr viel anspruchsvoller geworden, dadurch, dass das mediale Angebot sich immer mehr fragmentiert. Früher wusste man, dass man im Umfeld einer Samstagabendsendung wie «Verstehen Sie Spass?» oder «Wetten, dass…» die komplette Familie erreicht hat. Dies ist längst nicht mehr der Fall, der Mediamarkt ist vielfältiger und unübersichtlicher geworden. Gerade bei den sozialen Medien gibt es immer wieder neue Trends, die auch nach einigen Jahren wieder verschwinden. Deren Wert zu erkennen und auch einzuschätzen, ist die Aufgabe einer Mediaagentur. Diesen Punkt kann einem auch die künstliche Intelligenz nicht abnehmen.

 

Wird die Mediaagentur in der heutigen Form überleben?

Ich bin überzeugt, dass Mediaagenturen auch in 20 Jahren noch eine bedeutende Rolle spielen werden. Allerdings müssen wir unser Geschäftsmodell überdenken und nachhaltig verändern. Mediaagenturen müssen mehr Businesspartner sein, den Kommunikationsprozess, respektive die Basis hierfür neu definieren und vor allem neue Geschäftsfelder entwickeln. Das Zusammenspiel von Daten und Kreativität, sowie Technologie wird eine viel grössere Rolle spielen. Verändern wir uns nicht, wird es uns über kurz und lang nicht mehr geben. Ich gehe auch davon aus, dass die Bezeichnung Mediaagentur ziemlich bald obsolet sein wird.

 

Wie ist das Verhältnis der Schweizer Mediaagenturen untereinander?

Eigentlich sehr gut, was nicht selbstverständlich und in anderen Märkten definitiv nicht so ist. Die Branche ist klein und wir kennen uns ja vom LSA oder treffen uns immer wieder an Branchenanlässen. Mit vielen Kolleginnen und Kollegen in anderen Agenturen habe ich auch schon zusammengearbeitet. Schlussendlich wissen wir, dass wir alle im gleichen Boot sitzen und mit ähnlichen Herausforderungen kämpfen.

 

Sind Sie eigentlich verwandt mit dem berühmten Schriftsteller Bertolt Brecht?

(Lacht.) Diese Frage wird mir viel gestellt, momentan mehr denn je. Da ich aktuell viel reise passiert dies vor allem beim Einchecken in Hotels sehr häufig. Ja, ich bin mit Bertolt Brecht verwandt, aber über tausend Ecken. Ich habe auch einige seiner Werke wie die «Dreigroschenoper» oder «Der gute Mensch von Sezuan» gelesen. Leider kann ich nicht so gut schreiben wie er, vielleicht ist dies der Grund warum ich in das Mediengeschäft gegangen bin.

 

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